Im Untergrund von King's Cross

Fallstudie

Leica Nova TM50 misst in einem Tunnel

Autoren: Lidija Špiranec und Steven Thurgood

Die Neugestaltung des Londoner Bahnhofs King's Cross ist eines der bedeutendsten Projekte in London, UK. Das Gebiet um den Bahnhof King's Cross herum bestand aus 27 Hektar ungenutzter Fläche, die 2008 für die Bebauung ausgewiesen worden war. Das Gesamtkonzept sah 50 Gebäude, 1900 neue Wohnungen, 20 neue Straßen, 26 neue öffentliche Parks und Plätze sowie 10 Hektar Freiflächen vor.

Erneuerungsarbeiten für diesen wichtigen Eisenbahnknoten begannen im Jahr 2010. Eine der größten Einschränkungen des Projekts waren die vier Eisenbahntunnel unterhalb der Baustelle, die zu den Hauptverbindungen zum Bahnhof King's Cross gehörten. Diese Verbindungen wurden tagtäglich von mehreren Hunderttausend Pendlern genutzt.

Damit das Bauprojekt realisiert werden konnte, musste neben und oberhalb dieser Tunnel gebaut werden. Zusammen mit Network Rail, dem Eigentümer des Objekts, wurde vereinbart, dass das Projekt stattfinden könnte, wenn sämtliche Bewegungen der Tunnel und Gleise analysiert und ein Echtzeit-Überwachungsprogramm installiert werden würde. Das Überwachungsprogramm sollte prognostizierte Bewegungen bestätigen und jede Überschreitung messen, sodass Arbeiten gestoppt werden konnten, bevor es zu Schäden an der Infrastruktur kam. So sollten Risiken für Reisende und Züge minimiert werden.

Aufgrund der Größe des Projekts, seines Wertes sowie seiner Auswirkungen waren die Anforderungen an das Überwachungssystem streng:

Robust – das System sollte die Vertragsdauer von 12 Jahren halten
Skalierbar – es sollte erweiterbar sein
Genau/präzise – Messungen und Berichte sollten mit Sicherheit zur Verfügung gestellt werden
Wiederholbar – Beobachtungen sollten einheitlich erfasst werden
Automatisiert – das System sollte dazu ausgelegt sein, in einer Umgebung ohne bemannten Zugang zu laufen
Kontinuierlich – es sollte rund um die Uhr in Betrieb sein
Zugänglich – es sollte allen Akteuren zugänglich sein

Pell Frischmann, eines der führenden beratenden Ingenieurbüros im Vereinigten Königreich, das auf fast 100 Jahre Erfahrung blicken kann, nahm diese Überwachungs-Herausforderung an. Das Ingenieurbüro setzt seit mehr als 30 Jahren die verschiedensten Instrumente und Ausrüstung von Leica Geosystems ein und wusste deshalb, dass Überwachungslösungen von Leica Geosystems aufgrund ihrer Zuverlässigkeit, technischen Exzellenz und Unterstützung der richtige Weg waren. Das Büro tat sich daher mit SCCS Survey Equipment Ltd, Teil von Hexagon zusammen, dem führenden Distributor für Vermessungsausrüstung von Leica Geosystems im Vereinigten Königreich, um das erforderliche Überwachungssystem zu liefern.

„Leica Geosystems' lange Geschichte in der Entwicklung neuer Produkte, die sich zugleich durch eine vollständige Abwärtskompatibilität auszeichnen, stellte sicher, dass das System über die Dauer des Projekts mit der jeweils neuesten Ausrüstung erweitert werden konnte. Zudem bedeutete das Wartungs- und Supportnetzwerk von Leica Geosystems, dass Ersatzteile und Wartung über den gesamten Lebenszyklus des Projekts für die gesamte erworbene Ausrüstung verfügbar sein würden, unabhängig von ihrem Alter,“ so Gary Weekes, Direktor für Asset-Management bei Pell Frischmann. „Die Unterstützung durch SCCS bei der Bestimmung der geeigneten Ausrüstung und der Einrichtung des Systems war ebenfalls ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, Ausrüstung von Leica Geosystems für dieses Projekt zu wählen.“

Am Bahnhof King's Cross wurden zwei unabhängig voneinander arbeitende Überwachungssysteme installiert: Das primäre System war ein geodätisches Überwachungssystem aus automatisierten Totalstationen (ATS). Das Backup-System war ein geotechnisches Überwachungssystem, das Redundanz für die Messungen bereitstellte, zusätzliche Informationen lieferte und die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse erhöhte.


Eine maßgeschneiderte Lösung für Tunnel in London

Die Ausrüstung, die für das Projekt zum Einsatz kam, bestand aus den folgenden Sensoren:

Thameslink Tunnel:

Gasworks Tunnel:

  • 9 x Leica Nova TM50

  • 9 x selbstnivellierende Dreifüße, AD12

  • 82 x WiSenMeshNET Tilt Nodes

  • 10 x WiSenMeshNET Tilt & Distance Nodes

  • 80 x Dehnungsmesstreifen, verbunden über WiSenMeshNET Interface Nodes

  • 4 x Leica TM30

  • 4 x selbstnivellierende Dreifüße, AD12

  • 30 x WiSenMeshNET Tilt Nodes

  • 6 x WiSenMeshNET Tilt & Distance Nodes

Ein Gerüst für die Installation in den Canal Tunnel bei King's Cross

Die Überwachungs-Totalstationen TM30 und TM50 boten die Möglichkeit, die Empfindlichkeit des Detektors des Mess-Laserstrahls zu begrenzen und so das Risiko von Störungen durch benachbarte Ziele an diesen langen, linearen Einsatzorten zu vermeiden, was eine einzigartige Fähigkeit von Geräten von Leica Geosystems ist. Dies ermöglichte es, das System mit einer geringeren Anzahl von Totalstationen zu konfigurieren und dennoch die von Network Rail geforderte Zielhäufigkeit beizubehalten. Die Überwachungsinstrumente messen automatisch:

  • Tunnelverschiebungen in 3D; durch Messung von fünf Prisma-Arrays, die alle 10 m an der Tunnelverkleidung angebracht waren

  • die Gleisgeometrie auf Überhöhung, Verwindung, Spurweite und Ausrichtung; durch Messung von Prismen-Paaren, die an jeder Schiene eines Gleises angebracht waren

Außerhalb des Tunnels wurde ein permanentes Festpunktnetz gemessen, um Bewegungen der Totalstationen auszuschließen.

Die drahtlosen WiSenMeshNET Tilt Nodes wurden an der Tunnelverkleidung neben dem Kronglas-Prisma und dem Gleisbett/den Schwellen entsprechend den Schienen-Prismen im Abstand von 3 m angebracht. Die drahtlosen WiSenMeshNET Tilt und Distance Nodes befanden sich im Abstand von 10 m an der Tunnelverkleidung, um Konvergenz und Ovalisierung des Tunnels zu messen.

Nachdem alles installiert war, wurde ein Gleisgeometrie-Messgerät mit Scanner und einer speziellen Software dazu verwendet, die Tunnel zu vermessen bzw. zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Überwachungsausrüstung passierende Züge nicht behinderte und die kinematische Umgrenzung einhielt.

King's Cross Prisma und Neigung

Die Datenerfassung und Verarbeitung sämtlicher geodätischer und geotechnischer Messungen erfolgte mithilfe von GeoMoS Monitor von Leica Geosystems. Die Software erlaubte es, Prioritäten zu vergeben und Beobachtungen zu kontrollieren, wobei die Häufigkeit der Beobachtungen aus der Ferne anpassbar war, sodass dynamischen Ereignissen entsprochen werden konnte. Die berechneten Ergebnisse der Prisma-Messungen wurden für die Berechnung virtueller Beobachtungspunkte für mathematisch hergeleitete Werte weiterverwendet. Auf diese Weise wurden komplexe Berechnungen anhand einer Vielzahl von Datenquellen in einem einzigen Berechnungsmodell ermöglicht. Bewegungsgrenzen für Verformungen, Alarme und Aktionen wurden anhand spezifischer Variablen je nach Aktivität und Instrument festgelegt. Datenvisualisierung und Berichterstattung waren mittels des cloudbasierten Service GeoMoS Now! von Leica Geosystems nahtlos integriert.

Aufgrund der komplexen Umgebung und des langen, linearen Einsatzortes, der nur an den beiden Enden über stabile Bereiche verfügte, waren für die Daten der Totalstationen Korrekturen an einem einheitlichen Modell erforderlich, anstatt dass die einzelnen Geräte unabhängig voneinander arbeiteten. Daher wurde mit der Software Star*Net von MicroSurvey Software Inc., Teil von Hexagon, in Echtzeit während der Beobachtungszyklen eine vollständig integrierte und automatisierte Kleinste-Quadrate-Ausgleichung des Festpunktnetzes berechnet. Das GeoMoS-System wurde anschließend automatisch vor jeder Überwachungs-Array-Beobachtung mit ausgeglichenen Live-Koordinaten für das gesamte Netz aktualisiert.

„GeoMoS Now! ermöglichte uns, einfache und übersichtliche Dashboards für das Projekt zu erstellen. Es waren stets mehrere Bauunternehmen gleichzeitig auf der Baustelle tätig, die jeweils nur an einzelnen Abschnitten des Überwachungsprogramms interessiert waren. GeoMoS Monitor erlaubte es, für jedes Bauunternehmen ein eigenes Warnregime zu erstellen, mit individuellen Dashoards, die in GeoMoS Now! entwickelt wurden und in die sich nur das jeweilige Bauunternehmen einloggen konnte,“ erklärte Weekes.


Herausforderungen bei der Überwachung meistern

Das Team von Pell Frischmann hatte während des Überwachungszeitraums mehrere komplexe Herausforderungen zu meistern. Die Thameslink Tunnel wurden alle fünf Minuten von Zügen mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h durchfahren, was Vibrationen und Luftbewegungen verursachte, die die Ausrichtung und Nivellierung der Instrumente beeinträchtigte. Der Zugang zu den Tunneln beschränkte sich auf zwei 4-Stunden-Schichten alle drei Monate. Daher wurde mit der Installation des selbstnivellierenden Dreifußes GeoLaser AD-12, der es Benutzern ermöglicht, die Totalstation aus der Ferne wieder an der horizontalen Ebene auszurichten, eine permanente Lösung gefunden. Dieser wurde vollständig über GeoMoS Monitor gesteuert.

In den Gasworks Tunneln fand sich eine andere Herausforderung: ölige Rußrückstände. Diese hatten durch den jahrelangen Betrieb von Dampf- und Dieselzügen in diesen Tunneln an dem Mauerwerk in den Tunneln eine dicke Schicht gebildet. Über den gesamten Überwachungszeitraum führten diese laufend zu Ablagerungen an den Instrumenten. Die Optik der Totalstationen und die Prismen mussten daher alle paar Monate im Rahmen des aktiven Wartungsplans gereinigt werden, damit die Signalstärke beibehalten werden konnte.

Über die Lebensdauer der Installation fand der Betreiber des Überwachungsprogramms mit kontinuierlicher Unterstützung von SCCS innovative Lösungen, um die Zuverlässigkeit des Systems zu erhöhen und Betriebskosten zu senken. Dazu zählten korrosionsbeständige Verschraubungen und Prismenabdeckungen, die die Prismen widerstandsfähig gegen zuvor unbekannte Umgebungsbedingungen machte, die in dem Tunnel festgestellt wurden.

Installation einer Leica TM60 im Canal Tunnel, ein geschütztes Prisma im Gaswork Tunnel und ein verdrecktes Instrument

„Die Ausrüstung lieferte über einen längeren Zeitraum rund um die Uhr genaue und wiederholbare Ergebnisse, ohne dass zwischen den vorgesehenen zweimonatlichen Wartungsbesuchen ein manueller Eingriff erforderlich war. Dies war insbesondere in den Gasworks Tunneln wichtig, da hier Dieselrückstände und Wasseraustritt zu besonders rauen Arbeitsbedingen führten, in denen die Instrumente zwischen den Wartungen 12 Monate lang tadellos funktionieren mussten“, so Weekes.

„Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Ausrüstung gewährleistete, dass sämtliche Bauarbeiten in der Umgebung der Tunnel ein Jahrzehnt später ab 2010 ohne Verzögerungen fortgesetzt werden konnten. Dies stärkte das Vertrauen von Network Rail in das System. Züge mussten nicht angehalten oder verlangsamt werden und Geldbußen aufgrund von Verzögerungen wurden vermieden.“


Zukunftssichere Überwachungsdaten

Die Überwachung wird auch nach Abschluss der Regenerierung des Bahnhofs King's Cross weitergehen. Die Bedeutung dieses Datensatzes beruht auf der Aufzeichnung der natürlichen Bewegungen und Bedingungen im Tunnel. Dies könnte für Techniker eine wichtige Ressource bei der Bestimmung der Lebensdauerverlängerung der Tunnel und bei der Planung der vorbeugenden Wartung werden.

„Der Kunde und sämtliche Beteiligte waren mit dem System und seiner Leistung sehr zufrieden. Ihnen gefiel insbesondere der unbegrenzte Zugriff auf Echtzeit-Daten, was ihnen ermöglichte, jeden kleinen Auslöser zu überprüfen und Trends einzusehen, ohne dass besondere Fachkenntnisse oder eine Schulung an dem System erforderlich waren. Wir planen, unsere Zufriedenheit mit diesem Produkt innerhalb dieses kollaborativen Netzwerks aus Unternehmen weiterzugeben, damit es für ein breites Spektrum an Projekten eingesetzt werden kann“, so Weekes abschließend.

„Pell Frischmann bietet innovative Lösungen und arbeitet eng mit Leica Geosystems und dem weiteren Team von Hexagon zusammen. Das Ingenieurbüro hat auf jedes Problem unverzüglich reagiert, auch außerhalb der Bürozeiten, und das Projekt vor den Kosten bewahrt, die durch eine Verzögerung der Züge entstanden wären“, fügte Alastair Mitchell, Projektleiter bei der King's Cross Partnership, hinzu.

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