Vermessen für einen Bauroboter – echtes Teamwork zwischen Mensch und Maschine

Redaktioneller Beitrag

Autor: Richard Ostridge

Jedes Mal, wenn ich durch meine Social Media Feeds scrolle, sehe ich mindestens einen Post über künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen. Vor kurzem bin ich aber zum ersten Mal über eine andere folgenschwere technologische Revolution gestolpert, die in unserem Diskurs noch weitgehend unbekannt ist: Bauroboter.

Immer wieder haben technologische Fortschritte den Arbeitsaufwand am Bau drastisch gesenkt – von Baggern über Betonmischer und Presslufthämmer bis hin zu Bohrmaschinen und Akkuschraubern, um nur einige Beispiele zu nennen. In den vergangenen Jahren hat sich der Fokus jedoch zunehmend auf ein neues wichtiges Element verschoben: die Automatisierung.


AUTOMATISIERTE SYNTHESE



Ein im Rahmen des Weltwirtschaftsforums veröffentlichter Artikel mit dem Titel „Built by Robots: This Swiss Company Could Change the Construction Industry Forever“ hat mir bewusst gemacht, wie rasch sich auch in der Baubranche die wesentlichen Grundsätze verändern. Der Artikel beschreibt, wie anhand des dreistöckigen DFAB House nahe Zürich mit 3D-gedruckten Decken, Energiesparwänden und vor Ort von Robotern montierten Holzträgern der Beweis angetreten wurde, dass digitales Bauen möglich ist. Einer der im Artikel zitierten Projektverantwortlichen, Matthias Kohler, hat eine klare Vision davon, wie Mensch und Maschine in Zukunft zusammenarbeiten können: Dabei geht es nicht darum, mit Robotern menschliche Tätigkeiten zu simulieren, sondern Entwürfe von Anfang an so zu konzipieren, dass Roboter Materialien so verarbeiten und Strukturen so errichten können, wie es ihnen liegt.

Die Vorfertigung von Häusern abseits der Baustelle ist keine neue Erfindung – schon seit 20 Jahren kurbeln Hersteller wie Huf Haus die Nachfrage der Kunden nach Fertigteilhäusern an. Der Unterschied zum DFAB House ist die Größenordnung, in der 3D-Druck und Montageroboter eingesetzt wurden, was den vom Menschen beigesteuerten Arbeitsaufwand beim Bau erheblich reduziert. Trotzdem erfordern natürlich auch diese Elemente immer noch menschliche Unterstützung bei der Montage. Wenn sich Architekten und Baufirmen Kohlers Vision jedoch bis in die letzte Konsequenz zu eigen machen, lässt sich das Gebäudekonzept so sehr vereinfachen, dass Roboter schon von Grund auf beim Aufbau helfen können.


AUTOMATISIERTE MONTAGE



Auf breiter Basis wird sich die automatisierte Montage in den kommenden 20 Jahren vermutlich noch nicht durchsetzen können, aber es gibt schon einiges an Beispielen dafür, dass Roboter mehr können, als nur kinetische Tätigkeiten verrichten. Beispielsweise ist Sam100, der halbautomatische Maurer-Roboter des Herstellers Construction Robotics, derzeit schon auf einigen Baustellen in den USA im Einsatz. Er ist in der Lage, Mörtel auf Ziegel jeder Größe aufzutragen und diese im 8,5-SekundenTakt zu positionieren. So schafft es Sam100, binnen acht Stunden über 3.000 Ziegel einzubauen, während es bei menschlichen Maurern nur 300 bis 600 pro Arbeitstag sind. Videos von Sam100 in Aktion werden im Internet millionenfach angeklickt, was darauf hindeutet, dass Interesse und Begeisterung für dieses Thema besteht.

Schon vor Sam100 gab es Hadrian X von der australischen Firma Fast Brick Robotics, der 3D-drucken und mauern und so den Rohbau eines herkömmlichen Einfamilienhauses in Massivbauweise in gerade einmal zwei Tagen herstellen kann. Ein anderes spannendes Beispiel für ein hochentwickeltes automatisiertes Bausystem ist der Roboter des dänischen Entwicklers Odico, der geschäumte Industriewerkstoffe mithilfe eines elektrischen Heißdrahts anhand eines vorgegebenen CAD-Modells zurechtschneidet. Der EffiBOT auf Rädern von Effidence aus Frankreich hingegen folgt Handwerkern autonom mit Werkzeug und Materialien.

Natürlich gibt es am Bau – wie in jeder Branche – auch Vorbehalte gegen die zunehmende Automatisierung. Und trotz dieser faszinierenden Innovationsbeispiele wird es noch Jahre dauern, bis Roboter im großen Stil zum Bau von Häusern eingesetzt werden können. Das hätte jedoch enorme Vorteile: von Kosten- und Zeiteinsparungen bis zum Umweltschutz. Auf der anderen Seite der Gleichung steht jedoch der Nachteil, dass Mitarbeiter umgeschult werden müssen, wenn der Einsatz von Robotern langfristig erfolgreich sein soll.

Als Vermessungsingenieur denke ich naturgemäß weniger an die Auswirkungen auf die Baufachleute und mehr daran, was diese Automatisierung für die Vermessungsbranche bedeutet. Die gute Nachricht ist, dass steigende Erwartungen in Bezug auf kompliziertere Entwürfe und schnellere Umsetzung Chancen für Vermessungsunternehmen bieten werden, die auf Anwendungen am Bau spezialisiert sind.


HYBRIDE VERMESSUNG



Wenn ein Roboter etwas herstellt, sind genaue Größenangaben unerlässlich. Ebenso sind exakte Lageinformationen erforderlich, wenn ein Roboter etwas korrekt positionieren soll.

Die Toleranzen werden eng sein, Genauigkeit und Präzision obligatorisch und Kompromisse keine Option – klingt das nicht nach einem maßgeschneiderten Job für uns Vermessungsfachleute?

Während Menschen Fehler vor Ort erkennen und flexibel darauf reagieren können, traue ich das einem Roboter nicht zu. Im besten Fall würde er das Problem wahrnehmen und einen Menschen zu Hilfe holen, was den Effizienzgewinn reduziert, der überhaupt erst zu seinem Einsatz führte. Zweifellos lässt sich die Effizienz von Robotern am besten dadurch maximieren, dass ihnen zuverlässige Informationen über die Realität zur Verfügung gestellt werden.

Werden Vermessungstätigkeiten überhaupt je ohne menschliche Eingriffe ausgeführt werden können? In manchen Szenarien hat sich unsere Rolle schon etwas gewandelt – z. B. haben wir früher ausgewählt, welche Punkte wir genau messen wollen, während wir heute nur einen groben Bereich und eine Punktdichte definieren und den Rest dem Instrument überlassen. Das verdanken wir vor allem Technologien wie dem Leica RTC360- 3D-Laserscanner oder mobilen Systemen wie dem Leica BLK2GO, die automatisch 3D-Punktwolken erfassen, während der Benutzer ein Gelände abgeht.

Eine reine Datenerfassung ohne Mensch ist denkbar, aber ein komplettes Aufmaß einschließlich Datenprodukten wohl kaum. Trotzdem werden wir Vermesser möglicherweise unsere Vorstellungen von unserem Berufsbild anpassen müssen.


BLICK IN DIE ZUKUNFT



Jahrelang war es Aufgabe der Vermessungstechniker zu entscheiden, wo sie ihr Instrument aufstellen, welche Festpunkte sie verwenden und welche Kontrollmechanismen sie einsetzen. In jüngerer Zeit musste man sich auch Gedanken über die verwendete Technologie, das Messverfahren und die Datenverarbeitung machen.

Die nächste Generation wird wahrscheinlich noch intensiver mit Daten arbeiten. Vielleicht werden auch Kontrollmechanismen und die Auswertung von Daten noch weiter an Bedeutung gewinnen. Außerdem wird es wichtig sein, relevante Daten von irrelevanten zu unterscheiden und angemessen präsentieren zu können.

Ich glaube, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um unsere Abläufe auf den Prüfstand zu stellen und neue Methoden und Technologien auszuprobieren. So können wir uns in jeder Hinsicht als wahre Datenexperten etablieren.

Wenn wir uns dabei geschickt anstellen, können wir nicht nur kurzfristig unsere Jobs absichern, sondern auch langfristig die Zukunft der Vermessungsindustrie – selbst wenn wir irgendwann für Bauroboter arbeiten sollten.

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