Wenn aus Ruinen 3D-Modelle werden

Case Study

Autor: Reka Vasszi

Colonia Heliopolis, die Stadt der Sonne, zählt seit 1984 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die in der libanesischen Bekaa-Ebene gelegene, heute als Baalbek bekannte ehemals römische Stadt, weist eine imposante Tempelanlage auf, die als Musterbeispiel für antike römische Architektur gilt. Der Bacchustempel zählt zu den größten, am besten erhaltenen und eindrucksvollsten seiner Art.

Um dieses architektonische Meisterwerk digital zu dokumentieren und für die Nachwelt zu erhalten, haben Master-Studierende des Instituts für Vermessungswesen der Lebanese International University den Tempel in 3D erfasst.

„Zur Erstellung eines 3D-Modells des Bacchustempels haben wir ein automatisches, digitales terrestrisches 3D-LaserscanningVerfahren genutzt. Durch den Einsatz der Leica ScanStation P30 konnten wir den Tempel rasch und effektiv erfassen und 3D-Modelle entwickeln, die für Instandhaltungsmaßnahmen und Virtual-Reality-Anwendungen dienen“, erklärt Professor Mohammad Abboud von der Lebanese International University.

Identifikation verschiedener historischer Schichten

Der zwischen 150 und 200 n. Chr. Errichtete Bacchustempel ist die steingewordene Manifestation der Mythen und Legenden rund um den Gott des Weines, der Freude, des Theaters und der Fruchtbarkeit. Der römische Gott Bacchus repräsentierte auch die Wohltaten der Natur – eine Thematik, die sich an den prachtvoll geschmückten Tempelwänden zeigt.

Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert wurde die Tempelanlage, einschließlich des Tempels, zu einer Festung umgebaut und erweitert. Obwohl die nachfolgenden Bautätigkeiten dem Schutz der antiken Architektur dienten, ist es eine Herausforderung, die einzelnen Bauphasen der Anlage voneinander zu unterscheiden. Archäologen führen heute eine komplexe Analyse mit modernen Technologien durch, um die antike Stadt zu rekonstruieren und die verschiedenen historischen Schichten und Materialien zu identifizieren, aus denen sich die altrömische Siedlung mit ihren mittelalterlichen Erweiterungen zusammensetzt.

Trotz des laufenden Wiederaufbaus der antiken Stadt wurde der Bacchustempel im Laufe der Jahrhunderte durch Diebstahl, Krieg und Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen. So beschädigte ein Erdbeben 1759 die Struktur des Tempels schwer. Da sich die historische Stätte direkt in einem Erdbebengebiet befindet, ist es wichtig, die Gebäude zu überwachen und mögliche Bewegungen frühzeitig zu erkennen, um die Sicherheit der Besucher und Bauwerke zu gewährleisten.


Einrichtung von digitalen Datenbanken für Kulturerbestätten

Die von den Studierenden der Lebanese International University durchgeführten Laserscans erwiesen sich als genaue und effektive Lösung zur Erfassung präziser Daten in kurzer Zeit und erlaubten es den Forschern, die archäologischen Schätze der Öffentlichkeit auf ganz besondere Art – nämlich durch 3D-Modelle und interaktive digitale Anwendungen – zugänglich zu machen.

Das Vermessungsteam erfasste mithilfe der ScanStation P30 eine Punktwolke. Anschließend werteten die Studierenden die Daten im Büro mit der Leica Cyclone REGISTER 360-Software zur Verarbeitung von 3D-Punktwolken aus. Dabei wurden die Daten registriert und bereinigt und aus den Ergebnissen eine DGM-Vermaschung extrahiert. Die Punktwolken lieferten wertvolle metrische Daten zur Generierung eines detaillierten 3D-Modells des Bacchustempels.

Zur Sammlung noch ausführlicherer Informationen in Form von Panoramabildern des Bacchustempels und seiner Umgebung wurde zusätzlich auf Fotogrammetrie aus der Luft zurückgegriffen.

Die herkömmlichen Methoden von Archäologen und Bauforschern werden durch präzise digitale Informationen aus geometrischen Analysen, Geländemodellierung, Fotogrammetrie und 3D-Laserscanning sinnvoll ergänzt.


Traditionelle Verfahren und moderne Technologie im Vergleich

Herkömmliche Techniken, wie der Einsatz von GPS-Geräten, sind zeitaufwändiger und liefern keine 3D-Daten. Der Inhalt klassischer 2D-Pläne beschränkt sich auf die Dokumentation der exakten Positionen von Geometrien in einem dreidimensionalen Raum und bildet oft eher ein räumliches Ideal als die Realität ab. Totalstationen sind zuverlässig und zur Erfassung von 3D-Daten geeignet, allerdings fehlt ihnen die für 3D-Visualisierungen erforderliche Punktdichte.

Die Rekonstruktion archäologischer Stätten erfordert eine Datendichte, die nur die Laserscanning-Technologie bieten kann. Nichtsdestotrotz können bei der 3D-Dokumentation auch herkömmliche Vermessungsverfahren eine wichtige Rolle spielen, um die Genauigkeit der Daten und eine exakte globale Positionierung sicherzustellen. 3D-Daten eignen sich für BIM-Anwendungen und andere Visualisierungstechniken zur Einrichtung einer komplexen digitalen Datenbank, die bei Bedarf als Grundlage für künftige Restaurierungs- oder Rekonstruktionstätigkeiten am Bacchustempel dienen kann.


3D-Scans der Vergangenheit zur Sicherung der Zukunft

Die Wahrung unseres kulturellen Erbes ist ein fortlaufender Prozess, der die Dokumentation, Analyse, Überwachung, Instandhaltung und den Schutz von Gebäuden beinhaltet. Fragile antike Architekturdenkmäler wie der Bacchustempel sind anfällig für verschiedenste Beeinträchtigungen durch Mensch und Umwelt. Die Digitalisierung dieser ehrfurchtgebietenden Gebäude hilft bei ihrem Erhalt im heutigen Zustand und schafft eine digitale Dokumentation, die noch in ferner Zukunft zugänglich sein wird.

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